Bonn oder Berlin? Heute vor 30 Jahren, am 20. Juni 1991, fiel die Entscheidung. Zwölf Stunden lang hat der Bundestag debattiert, mehr als 100 Abgeordnete hielten Reden. Auf der Seite der Bonn-Befürworter stand mein Vater Franz Möller, damals CDU-Abgeordneter und Landrat im Rhein-Sieg-Kreis. Wochenlang hatten unter anderem er und Norbert Blüm entschlossen und beharrlich für Bonn gekämpft. Am Ende gaben 18 Stimmen den Ausschlag: Der Bundestag stimmte für den Umzug von Parlament und Regierung von Bonn nach Berlin. Als Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth um 21.41 Uhr bekannt gab, dass 320 Stimmen auf Bonn, aber 338 auf Berlin entfallen waren, war mein Vater unfassbar enttäuscht. Ich – gebürtige Bonnerin und damals 26 – kann mich erinnern, dass wir telefonierten und gemeinsam geheult haben. In seinem Buch „Der Beschluss“ schreibt mein Vater: „Statt in die Bonner Innenstadt zu fahren, wo an sich gefeiert werden sollte, ging ich mit meiner Frau (…) in die Landesvertretung NRW, um Ministerpräsident Johannes Rau und Minister Wolfgang Clement für die unermüdliche Hilfe in den vergangenen Wochen zu danken und gemeinsam „Wunden zu lecken“. Das Kölsch hat an diesem Abend nicht geschmeckt. Wir waren uns aber einig, dass wir nur dann den Niederschlag verkraften könnten, wenn wir wie bisher über Parteigrenzen hinweg zusammen stehen würden. Diese Zusammenarbeit war auch die Grundlage für die weitere – durchaus positive Entwicklung.“ Dafür war das Bonn-Berlin-Gesetz von 1994 maßgeblich, an dem mein Vater intensiv mitgearbeitet hat. Darin wurde u.a. die Arbeitsteilung zwischen Berlin und der Region Bonn/Rhein-Sieg mit Ausgleichregelungen für den Verlust der Hauptstadt festgeschrieben. Die Region hat dadurch enorm an Anziehungskraft gewonnen.
Hier gibt’s das Protokoll zu dieser historischen Debatte:https://dserver.bundestag.de/btp/12/12034.pdf
Und hier viele Multimedia-Angebote zur Entscheidung: https://www.tagesschau.de/…/bonn-berlin-umzug-101.html
Mein Vater hat seine Rede damals zu Protokoll gegeben. Ein Auszug:“Die Erwartungen hier und die Vorstellungen dort sind mit Städtenamen verbunden, die in der Welt guten Ruf haben: Bonn und Berlin. Berlin steht als Symbol für den Widerstand gegen das kommunistische Regime, Bonn gilt als Symbol für eine freiheitliche und soziale Ordnung.Der politische Charakter der Bundesrepublik, die Außen- und Europapolitik, die Wirtschafts- und Sozialpolitik — dies alles ist von Bonn aus geprägt wor-den. Hier steht die Wiege unserer 40jährigen Demokratie. In Bonn hat sich unser Föderalismus entwickelt: Alle Regionen und Städte konnten sich entfalten. Bonn läßt allen Luft zum Atmen, Berlin jedoch würde sehr vieles aufsaugen.Wir wollen mit unserer Bundesstaatslösung eine föderalistische Partnerschaft in unserem Land zwischen Bonn und Berlin verwirklichen: Jeder erhält etwas und keiner geht leer aus. Dies entspricht unserer Tradition und der föderalistischen Entwicklung der letzten 40 Jahre.An dieser in aller Welt anerkannten Entwicklung haben die Bürger der Region Bonn/Rhein-Sieg nicht nur Anteil, sondern grundlegend mitgewirkt. Das hohe Ansehen der Bundesrepublik in der Welt verdanken wir auch den Menschen im Bonner Raum. Diese Hunderttausend dürfen wir bei dieser Entscheidung nicht vergessen und als lästige Bittsteller beiseite schieben.Ich habe Verständnis für die Wünsche der Berliner. Wir vergessen ihre Hoffnungen nicht. Unsere Bundesstaatslösung ist ein wirkliches Angebot zu teilen und nicht alle politischen Zentralfunktionen an einem Ort zu behalten.“